· Kameramann Rainer Friedrich Imagefilme, TV-Reportagen, Dokumentationen

Autor:Günter Wallraff, Karla Steuckmann
Kamera:Rainer Friedrich, u.a.
Ton:Alexander Czart u.a.
Produktionsfirma:Wiesefilm
Erstausstrahlung:30. Mai 2012

Günter Wallraff deckt auf

RTL, 50 Minuten

Nominiert für den Deutschen Fernsehpreis 2012

Mehr als ein halbes Jahr war Günter Wallraff wieder undercover unterwegs. Für RTL war er in die Rolle eines Paketboten geschlüpft, um mit versteckter Kamera zu dokumentieren, unter welch unwürdigen Bedingungen die Beschäftigten in der Paketdienstbranche arbeiten. 2,95 Millionen Zuschauer sahen die schockierenden Ergebnisse seiner Recherchen in der einstündigen Reportage „Günter Wallraff deckt auf. Der neueste Fall des Undercover-Spezialisten“.

Der boomende Onlinehandel sorgte in den vergangenen Jahren für enormes Wachstum in der Transportbranche. Früher bekam der Endverbraucher allenfalls ein paar Weihnachtspäckchen mit der Post. Kurierdienste oder private Paketdienst bedienten hauptsächlich Firmenkunden. Heute bestellen Verbraucher immer öfter online und bekommen die Ware vom Paketboten an die Haustür geliefert. Das Attribut versandkostenfrei gilt als schlagendes Wettbewerbsargument.

Doch den Preis dafür zahlen oft die 250.000 bis 300.000 Beschäftigten im Paketauslieferungsgewerbe. Viele arbeiten unter sittenwidrigen Bedingungen: Berichte der Betroffenen und wissenschaftliche Studien gehen von Regelarbeitszeiten zwischen 12 – 15 Stunden täglich aus, denen ein erheblicher Prozentsatz unterworfen ist. Bei einem Monatslohn zwischen 1.200 und 1.500 Euro netto ergeben sich damit Stundenlöhne für diese Paketauslieferer von unter 5 Euro.

Günter Wallraff war eine Zeit lang solch ein unterbezahlter, aber überarbeiteter Paketfahrer für die Firma GLS: Morgens um 5 Uhr begann sein Tag mit dem Sortieren und Einladen der Sendungen, abends endete er selten vor 19 Uhr. Er gewann das Vertrauen der Fahrer und erfuhr, wie an diesen Arbeitsbedingungen Familien zerbrechen. Er traf junge Männer, die sich nur noch mit Medikamenten über den Tag retten und die genötigt werden, Pausen einzutragen, wo keine möglich sind und Arbeitszeiten so zu schönen, dass Verstöße nicht auffallen.

Um sich nicht verantworten zu müssen, schalten manche Konzerne – so auch GLS –Subunternehmer zwischen, die offiziell als Arbeitgeber der Fahrer agieren, meist selbst auch fahren und häufig ausschließlich für einen Konzern arbeiten.

Die Gesetzesänderung zum Schutz vor Scheinselbständigkeit hat den sogenannten selbstfahrenden Unternehmer in dieser Branche abgeschafft. An seine Stelle ist der ebenso scheinselbständige Subunternehmer mit einem oder mehreren Angestellten getreten. Eine Stellungnahme der Friedrich-Schiller-Universität macht klar, dass das unternehmerische Handeln von etwa 11.000 Subunternehmern im Paketauslieferungsgewerbe von den Auftrag gebenden Konzernen bis ins Detail diktiert wird. Gleichzeitig werden diese scheinselbständigen Unternehmer ausgenutzt, um sämtliche Risiken auf sie abzuwälzen. Eine Vielzahl dieser Subunternehmer arbeitet zu noch schlechteren Bedingungen als ihre Fahrer. Viele sind ehemalige Fahrer und verfügen über wenig betriebswirtschaftliches Know How. Sie gehen auffällig oft in die Insolvenz.

Wallraffs Undercover-Recherchen belegen, dass GLS massiv in das unternehmerische Handeln seiner Subunternehmer eingreift: Disponenten von GLS geben ständig über Handy direkt Anweisungen an die Fahrer, GLS-Mitarbeiter maßregeln Fahrer direkt. Außerdem hat der Konzern die Möglichkeit, über ein Hausverbot in die Personalentscheidungen des Subunternehmers einzugreifen – quasi zu kündigen. Wenn – was häufig vorkommt – der Subunternehmer keinen anderen Auftraggeber hat, ist er gezwungen, den unliebsamen Fahrer zu entlassen. Betroffene berichten, dass dies längst nicht nur bei schweren Vergehen wie Diebstahl ausgesprochen wird.